Die Teile des Katana

Die Klinge des japanischen Schwertes ist gewöhnlich leicht gebogen, einschneidig und hat auf beiden Seiten gratartige Erhebungen, die den Charakter und Wert des Schwertes bestimmen. Nur die Klingen des kürzeren, Tanto genannten, Schwertes oder Dolches weichen von dieser Norm ab. Sie sind glatt, breiter und meistens gerade. Die durchschnittliche Klingenlänge beträgt nach japanischen Maßen über zwei „shaku“ beim Tachi und Katana. Ein shaku entspricht 30,3 Zentimetern. Zwischen ein und zwei shaku soll die Klinge des Wakizashi, unter einem shaku die des Tanto lang sein. Bewertet wird eine Klinge nach der vollendeten Gestaltung der sie charakterisierenden Teile. Dazu gehören die Spitze (Kissaki), die besondere Sorgfalt beim Schmieden und Polieren erfordert, die Gratlinien (Shinogi) und die Linie, die die Spitze von der übrigen Oberfläche absetzt (Yokote). Außerdem unterscheiden sich die Schwertklingen durch die schmale, breite, hohe oder flache Gestaltung des dem Rücken zugewendeten Teils der Oberfläche (Shinogi-ji) sowie durch dessen Dekoration in Form von Vertiefungen, Rinnen, Inschriften und ornamentalen Gravuren.

 

Katana
Die Einzelteile eines Katana:
1) Same-nuri – Rochenhaut
2) Menuki
3) Fuchi – Zwinge
4) Tsuba – Stichblatt
5) Kurigata – Bandhalterung
6) Saya – Scheide
7) Kashira – Griffkappe
8) Sage-o – Band zum Befestigen am Obi
9) Kogatana – Beimesser
10) Kogai – Schwertnadel
11) Hitoye – Rücken der Schwertangel
12) Mekugi-ana – Nietloch
13) Habaki – Muffe für die Saya
14) Shinogi-ji – polierte Fläche
15) Mune – Rücken der Klinge
16) Shinogi – Grat
17) Ko-Shinogi – Fortsetzung des Grates nach Yokote
18) Kissaki – Klingenspitze
19) Shiri – Angelspitze
20) Nakago – Angel
21) Jigane – der Schneide zugewandte Fläche
22) Yakiba – gehärtete Schneide
23) Jihada – ungehärteter Teil
24) Hamon – Härtelinie
25) Yokote – die Spitze absetzender Grat
26) Fukura – Schneide der Spitze

Gefäß und Scheide bildeten zu allen Zeiten die kunstvolle, der kostbaren Klinge entsprechende Hülle der geschätzten Schwertfegerarbeit. Verhältnismäßig bescheiden mutet die glatte Scheide (Saya) aus Magnolienholz an. Ihre Oberfläche wurde vorzugsweise in dunklen Farben gehalten oder mit verschiedenen natürlichen, aber auch der Natur nachgestalteten Materialien wie Muschelblättchen, Perlmutt und abgeschliffener oder nachgeahmter Rochenhaut überzogen. Kräftige Farben waren den Scheiden höfischer Schwerter vorbehalten. In ihren Dekor wurden oft die Wappenzeichen (Mon) der Familie des Trägers einbezogen. Einige Scheiden enthalten Aussparungen am oberen Rand. Sie waren für die Aufnahme eines kleinen Messers (Kogatana) und eines nadelartigen Instruments (Kogai) vorgesehen. Das Beimesser, dessen Griff (Kozuka) ein Teil der künstlerischen Dekoration des Schwerts ist, sitzt stets in der Rückseite (Ura) der Scheide oder des Schwertes. Es kam erst im 16.Jahrhundert in Gebrauch. Die Nadel steckt parallel dazu auf der Vorderseite (Omote). Die Griffteile beider Instrumente tragen gewöhnlich den gleichen Dekor. Wozu sie dienten, ist heute nicht mehr bekannt, es gibt jedoch vielfache Deutungen. Vermutungen legen nahe, dass im Kogai eine alte Form der Haarnadel überliefert ist, die dazu diente, das Haar unter den Helm zu stecken oder es zu ordnen, nachdem die Kopfbedeckung abgesetzt worden war. Das Kogatana kann mit einem ordentlichen Taschenmesser verglichen werden. Nahe der Scheidenmündung sitzt auf der Omote-Seite eine Öse (Kurigata), durch die ein Seidenbandgehänge (Sage-o) läuft. Die Scheide wird durch ein der Muffe vergleichbares Metallstück (Habaki) aus versilbertem oder vergoldetem Kupfer am oberen Ende der Schwertklinge so geführt, dass sowohl ihr Abgleiten als auch ein Reiben auf der hochpolierten Klinge verhindert werden.


Oben:
verschiedene Fuchi aus Kupfer, Eisen, Bronze und
Gelbmetallguss

Ein hölzerner Griff bedeckt die Angel. Um ihn festzusetzen, wurde ein kleiner Bambuspflock (Mekugi) in die vorgesehene Öffnung in der Angel eingeschlagen. Das Griffholz aus Mahagoni ist mit einem Stück dorniger Schuppenhaut eines Rochens (Same) bedeckt. Dieses wurde mit einem farbigen Seidenband so umwickelt, dass nur in rhombenförmigen Aussparungen die dornenartigen Erhebungen zu sehen sind. Gleichzeitig wurden die Metallkappe (Kashira) am oberen Ende des Griffes und kleine Metallreliefs (Menuki) kunstvoll und fest eingebunden. Bestimmte Hofschwerter und einige kürzere Schwerter haben keine Griffumwicklung, die Griffkappe wie auch die kleinen Griffzierate (Menuki) sind aufgeleimt. Den Abschluss des Griffes gegen das Stichblatt hin bildet die Zwinge (Fuchi). Ihr künstlerischer Dekor entspricht gewöhnlich dem der Kappe. Die kaum sichtbaren, reizvoll gestalteten Menuki dienten ursprünglich sicher dazu das Ende des Bambuspflocks, mit dem der Griff auf der Angel befestigt war, zu verdecken. Später erhöhten sie als Zierelemente zugleich die Griffigkeit. Bei hervorragenden Schwertern waren Schwertmessergriff, Schwertnadel und Menuki mit übereinstimmenden Motiven ausgestattet.


Unten:
Kashira (oval) und Menuki aus Eisen, Messing und Kupfer

 

Zwischen Griff und Klinge wurde zum Schutz der Hand das Stichblatt (Tsuba) eingefügt. Es folgt der Zwinge und ist auf beiden Seiten von dünnen schmucklosen Zwischenscheiben (Seppa) aus versilbertem oder vergoldetem Kupfer eingefasst. Seine Frontseite ist zum Griff hin ausgerichtet. Seiner Funktion wie auch der künstlerischen Gestaltung nach ist das Stichblatt der wichtigste Teil der Ausstattung Japanischer Schwerter. Unabhängig vom Schwert und unter Missachtung seiner wertvollen Klinge ist ihm, einer Modeströmung folgend, zu Anfang unseres Jahrhunderts von vielen Sammlern und Autoren besondere Aufmerksamkeit gewidmet worden. Das Stichblatt hat gewöhnlich die Form einer flachen Scheibe, in deren Zentrum eine keilförmige Öffnung für die Angel ausgeschnitten wurde. Links und rechts von dieser Öffnung befinden sich weitere Durchbrüche, die die Griffteile des Schwertmessers (Kozuka) und der Schwertnadel (Kogai) aufnahmen. Wurden sie nicht gebraucht, so füllte man die vorgesehenen Öffnungen mit Metall aus. Während die frühen Stichblätter von Schwertschmieden und Plattnern in Verbindung mit dem Schwert hergestellt wurden, bildeten sich seit dem 15.Jahrhundert spezialisierte Meister und in späteren Jahrhunderten selbständige Schulen der Stichblatt- und Zierratherstellung aus. Dies trug wesentlich dazu bei, dass ihre Produkte kleine Kunstwerke in technischer Perfektion und bewundernswerter Vollkommenheit wurden und dem kostspieligen Leben der höheren gesellschaftlichen Schichten entsprachen. Die Stichblattform der ältesten Schwerter lässt das Vorbild der chinesischen Schwerter erkennen, die im 6. Jahrhundert nach Japan kamen. Diese „Shitogi“ erinnern weit mehr an verbreiterte Parierstangen mit korbartigen Bügeln als an die später gebräuchliche Scheibenform. Einfache Eisenstichblätter mit sparsamen ornamentalen Durchbrüchen, mit zum Teil deutlich erkennbaren Hammerspuren des Plattners, kennzeichnen die frühen Arbeiten.

Tsuba aus Eisen (16. Jh.)

Tsuba mit
Tausendfüßlermotiv

Tsuba aus Shakudo
(Legierung aus Kupfer
und Gold)

Der gehobene gesellschaftliche Anspruch brachte eine unübersehbare Fülle technischer Raffinessen hervor, die es den japanischen Schmieden ermöglichten, naturalistisch getreu metallische Farbmalerei auf kleinstem Raum und ohne Zuhilfenahme fremder Werkstoffe zu vollbringen. Durch Metalllegierungen und Metallfärbung mit Hilfe von Beizmitteln rangen sie dem Material verschiedenste Farbtöne ab. Die technische und künstlerische Vollendung der ebenso dekorativen wie ästhetischen Gestaltung und das Einfühlungsvermögen in die Behandlung und Tönung des Metalls als einzigem Mittel farbiger Wiedergabe der Natur und Gesellschaft stellt alles europäische Können auf diesem Gebiet in den Schatten. Neben Eisen in guter Qualität dienten Silber, Bronze, Messing, Kupfer sowie drei spezielle Legierungen von Kupfer mit wenig Gold (Shakudo), mit 30 bis 50 Prozent Silber (Shibuichi) und mit Zinn und Blei (Sentoku, eine Messingvariation) zur Herstellung und Dekoration der Stichblätter und übrigen Schwertzierrate. Durch die Behandlung mit einer Beize, die sich aus Kupfervitriol, Alaun und Grünspan zusammensetzte, wurde den Kupferlegierungen unterschiedliche Oberflächenfärbung verliehen. Shakudo nahm entsprechend seinem Goldgehalt eine schwarze oder bläulich-schwarze Färbung an, Shibuichi variierte zwischen Olivbraun bis Grau, und Sentoku brachte das beliebte Chromgelb hervor. Kupfer selbst veränderte sein Aussehen in dem genannten Beizbad nach Fuchsrot. So betonen, die Farben die Kunstschmiedearbeit japanischer Meister, ohne den Metallcharakter zu verdrängen. Metalle unterschiedlicher Farbschattierungen wurden zur ansprechenden Gestaltung farbiger Szenen verarbeitet. Die Motive entsprangen einem unergründlichen Strom immer neuer Themen aus Natur, Gesellschaft und Mythologie.

verschiedene Gravierungen auf dem oberen Teil von
Tachi-, Wakizashi- und Tantoklingen

Vielfältig, dekorativ und mit größtmöglicher Akkuratesse sind auch die Oberflächen bei den verschiedenen anderen Schmuckteilen des Schwertes ausgeführt. Die häufig vorhandene gekörnte Oberfläche (Nanako) wurde durch Mattpunzen erreicht. Durchbrechungen für negative Silhouetten (Kizukashi) und plastisch ziselierte geometrische Ornamente (Marubori), aber auch feinste lineare Perforationen (Ito-zukashi) erzielte man mit Meißeln, Feilen und Sägen. Feine Gravierungen ahmten die zarten Linien der Tuschmalerei auf Metall nach (Katakiri-bori). Flache Reliefs wurden in die Oberfläche eingeritzt und geätzt (Niknuibori oder Shishiai-bori). Hochreliefs goss man in Modeln aus, um sie anschließend mit unterschiedlichen Metallauflagen farbig zu gestalten (Taka-bori). Die Japaner entwickelten eine Vielzahl von Methoden, um ein oder mehrere Metalle auf eine vorbereitete Oberfläche zu tauschieren (Zogan). „Hon-zogan“ bezeichnet das Verfahren, bei dem das gewünschte Motiv aus dem Grundmaterial in nach unten verbreiterten Rillen ausgeschnitten und danach der fremde Metalldraht so eingehämmert wurde, dass eine glatte Oberfläche entstand. Dagegen erzeugte „Taka-zogan“ ein die Oberfläche überragendes Relief. Die Unterlage musste dazu mit feinsten Ziselierungen und Aussparungen vorbereitet werden, die außerordentliche Präzision in kleinsten Ausmaßen verlangten. Weder mit dem Auge noch mikroskopisch sind die Fugen zwischen den Metallen der Miniaturbilder zu erkennen. Zur Verzierung von Eisenstichblättern rauhte man die Oberfläche auf oder gravierte sie, um dann einen dünnen Überzug aus anderem Metall aufschlagen zu können (Nunome-zogan). Reizvolle Muster wurden durch Auflöten und Aufhämmern von Drähten und Drahtstückchen aus Kupfer, Messing und Silber auf Eisenstichblätter erzeugt (Gomoku-zogan).

Es ist gänzlich unmöglich, alle Varianten technischer und künstlerischer Gestaltungsmittel zu nennen. Weit mehr noch übersteigt es unser Vermögen, den Motivreichtum zu ergründen. Viele Bilder, die dem Japaner vertraute Erzählungen wiedergeben, bleiben uns verschlossen. Jedes einzelne fordert uns jedoch volle Bewunderung ob der in ihm steckenden virtuosen Leistung des Meisters ab. Während europäische Schmiede vergleichbarer Jahrhunderte ausdrücklich bestrebt waren, kostbare Materialien wirken zu lassen oder aber vorzutäuschen, war für den Japaner jedes verwendbare Metall für die künstlerische Gestaltung wertvoll, sei es Eisen, Gold, Kupfer oder Silber. Nicht der Werkstoff an sich sollte zur Geltung gebracht werden. Den japanischen Metallhandwerker interessierte das Material mit all seinen Eigenschaften, die er sich entsprechend seinen Möglichkeiten dienstbar machte. Die Kostbarkeit eines Gegenstandes war daher nicht a priori im edlen Material begründet, sondern in der von Erfahrung geprägten Ausnutzung aller in der metallischen Grundstruktur begründeten Eigenschaften. Diese Grundhaltung, verbunden mit der jahrhundertelangen ungebrochenen Tradition handwerklicher Meisterschaft und Erfahrung ermöglichte es dem Schmied in Japan, gleich einem hervorragenden Künstler die verfügbaren Metalle nach seinem Willen zu gestalten und in Bildwerken lebendig werden zu lassen.