Kobudo-Waffen – Bo
Dieser Beitrag ist dem einfachen, schlichten, gemeinen Stock gewidmet. In den europäischen Gefilden ist er weit verbreitet und eher als Spazierstock bekannt. Früher wurde er sogar zur Bestrafung renitenter Schüler herangezogen. In Japan jedoch zählt er zu den Waffen und auf Okinawa ist er die älteste Kobudowaffe überhaupt. Bo ist der japanische Begriff der Waffe, was gleichzusetzen ist mit dem okinawanischen Wort Kon. Die Waffe ist sehr beliebt, denn allein in Japan üben sich über 10.000 Menschen im Umgang mit dem Stock. Einen eindeutigen Ursprungspunkt des Bo irgendwo oder irgendwann festzulegen, ist fast unmöglich, denn der Stock, als Waffe verwendet, entwickelte sich in China, Japan sowie auf Okinawa (eigentlich in ganz Asien) parallel. Trotzdem existieren heute zwischen den japanischen und den okinawanischen Stockkünsten erhebliche Unterschiede, da sich diese Systeme voneinander unabhängig entwickelten.
Auf den Ryukyu-Inseln begann sich nach Ankunft der 36 Familien Ende des 14. Jahrhunderts der Bo-Kampf als eigenständige Waffenkunst zu entwickeln, genannt Boho. Die 36 Familien waren eine Gruppe von Chinesen aus Fukien, die sich in der Nähe von Naha ansiedelten. Darunter waren viele Experten des chinesischen Quan-fa, die das okinawanische Te und somit die Entwicklung des Kobubo stark beeinflussen sollten. Einen weiteren Entwicklungsschub des Boho gab es während der Satsuma-Invasion auf den Inseln. Während der Stock als Waffe (Jo) in Japan von den Samurai entwickelt wurde (Tettsu-Bo), diente der okinawanische Bo ausschließlich zu Zwecken der Selbstverteidigung der Bauern gegen die Samurai. Die Satsuma-Zeit war sehr hart für die Bevölkerung, besonders für ältere Menschen, die als unproduktiv angesehen und grausam behandelt wurden. Ohne die Kraft der Jugend mussten sie sich auf den Gebrauch ihrer Gehstöcke verlassen und konnten eher mit der Technik als mit Kraft arbeiten. Deshalb beruhen die Techniken des Bo eher auf Hebeln, dem Brechen des Gleichgewichts, Täuschungen und Angriffen auf empfindliche Punkte des Körpers.
Bo Der Stock wurde aus chinesischer weißer Eiche oder aus rotem Ahorn, später auch aus japanischer roter Eiche hergestellt. Das Holz wurde noch mit Pflanzenöl oder Tierfett behandelt und damit das Holz versiegelt, damit es in der Sonne nicht austrocknet und rissig wird. Der Kampfstock konnte sehr unterschiedlich ausfallen und in den verschie- densten Varianten auftreten. Wie schon erwähnt, kann das Material variieren und somit Einfluss auf Gewicht und Stabilität nehmen, aber auch in der Länge gibt es keine bestimmten Vorgaben. Wie bei vielen Kobudowaffen ging man auch beim Bo von der Länge des Unterarmes aus, etwa 30 cm. So ist es wahrscheinlich zu erklären, dass es vorwiegend Stöcke in Längen gibt, die ganze Vielfache der Unterarmlänge sind.
60 cm – Hanbo
90 cm – Sanshaku-bo (jap. Hanbo
120 cm – Yonshaku-bo (Jo)
180 cm – Rokushaku (heute als Bo bekannt)
270 cm – Kushaku-bo
Die meisten Stöcke sind rund, glatt und poliert. Sie können aber auch vier-, sechs – bzw. achtkantig sein. Der Durchmesser liegt bei etwa 2,5 cm – 3,5 cm und ist allgemein über die ganze Länge gleich dick. Es existiert auch eine okinawanische Form, die sich zur Spitze hin verjüngt und somit für den Gegner schwerer zu fassen ist. Ein guter Stock muss vollkommen gerade und frei von Knoten sein.
Bo Durch all diese verschiedenen Punkte wie Herkunft, Form, Entwicklung, Beschaffenheit und Länge sind bis heute die unterschiedlichsten Techniken entstanden. (Anmerkung: Die Techniken heute sind vor- wiegend aus dem okinawa- nischen Stil, die Begriffe im Gegensatz dazu aber japanisch.) Wenn der Stock mit beiden Händen gehalten wird, sind sehr starke Schlag-, Dreh-, Stoß- und Schwing- techniken möglich. Während der längere Bo dabei eine ungeheure Schlagkraft entfaltet, kann man die kürzeren Stöcke viel leichter verbergen und hat bei einem Kampf das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Es konnte auch vorkommen, dass ein Stock angespitzt war und geworfen wurde. Zum Teil verwendete man auf Okinawa die Holzstöcke auch paarweise (Sanchaku-bo). Jede Bo-Variante ist einzigartig. Die Techniken werden in Form von Kata weitergegeben. Die klassische Haltung eines Bojutsu sieht so aus, dass man die Knöchel der Führungshand mit 20 cm bis 30 cm Abstand von der anderen Hand (die am Stockende abschließt) nach oben hält. Die Spitze des Bo zeigt 45 Grad nach vorn.
Muso Gonnosuke soll ein japanischer Meister im Umgang mit dem Stock gewesen sein. Er wandte ihn bei der Verteidigung gegen mit Schwertern bewaffnete Samurai an. Als er aber auf Miyamoto Musashi traf und den Kampf mit seinem Bo verlor, zog er sich in die Berge zurück. In der Einsiedelei entwickelte er einen kürzeren Stock (Jo) und neue Techniken dazu. Angeblich hätte er dann irgendwann Musashi mit diesem Stock bezwungen. Diese Behauptung ist jedoch sehr umstritten. Tatsache ist aber, dass er der Begründer des Shindo Muso-ryu Stockstils ist.